Gisela Berndt widmet sich seit vielen Jahren dem Jazzgesang. 2016 veröffentlichte sie ihr Debüt-Album, „Zwischen den Tagen“. Wie sie selbst ausführte: Schon kurz nach dieser Veröffentlichung verfasste ich neue Texte, Songideen und Melodien, die ich musikalisch so umsetzen wollte, dass Musik und Sprachinhalt noch stärker korrespondieren. In Gero Körner fand ich den idealen Partner für dieses Projekt. Er ist ein Ausnahmetalent an den Tasten, vielseitig, kreativ und in allen Stilrichtungen zu Hause. Er ist maßgeblich an den Kompositionen der neuen Songs beteiligt und gemeinsam mit ihm produzierte ich in relativ kurzer Zeit dann die -von der Fachpresse einhellig gut bewertete – CD „Nach Norden“.

Der Pianist Gero Körner ist auch auf der neuesten Platte maßgeblich beteiligt. Bilder heisst die Platte. Neben dem Trioformat wird dieses bei einigen Songs erweitert um vier Stücke mit Saxofon, eines mit Marimbaphon und einmal mit dem Akkordeon. Im beiliegenden Booklet sind alle Texte abgedruckt. Beginne ich sie zu lesen, habe ich gar nicht den Eindruck, Texte zu Songs zu entdecken, vielmehr wirken sie auf mich alle wie kleine Geschichten, wie Lyrik, die vertont wird.

Jazzgesang kennt man typischerweise in englischer Sprache. Und ich denke, in Englisch kann man Texte und Stimmungen gesanglich auch geschmeidiger ausdrücken. Die deutsche Sprache wirkt dagegen in der Regel recht hart und weniger dahinfließend. Das ist insofern auch ein Problem bei den deutschen Texten der zehn Songs von Gisela Berndt. Doch, und ich komme darauf zurück, sind diese Texte auch nicht typisch für das, was allgemein im gesungenen Jazz zu Hause ist. Wie ich bereits bemerkte, empfinde ich das Ganze als vertonte Lyrik.

Und so ist das Ergebnis für mich nicht unbedingt eine ausschließliche Jazz-Platte, sondern ich erkenne eine Hinwendung zum Genre Singer/Songwriter, hier mit Jazz untermalt durch die Band. So empfinde ich einige Texte eher ein wenig mehr gesprochen denn gesungen, beziehungsweise irgendwo dazwischen, eine Art Hybrid halt. Bei Songs wie „Der Wasserlauf“ ist das für mich zum Beispiel sehr gelungen.

Denn das typisch swingende Klangbild von Jazzgesang tritt nicht durchgehend auf. Eine der Ausnahmen ist „Nicht für mich“, dieser Song ist für mich der beste eher reine Jazztitel in Verbindung mit dem Gesang. „Blick aus dem Fenster“ wiederum ist für mich das Paradebeispiel für einen hervorragenden Singer/Songwriter-Titel. Dieser Blick aus dem Fenster kann beim kombinierten Lesen und Zuhörern durchaus vereinnahmen, eine wirklich wunderschöne Stimmung!

„Treibgut“ bringt eine weitere Variante ins Spiel, hier schleicht sich ein cooles Bluesfeeling ein, auch hier ein Song, der sich individuell abhebt, und das dezent kratzig-bluesige Solo von Jens Neufang mit dem Saxofon trägt dazu bei, ebenso wie das nachfolgende Piano-Solo. Ebenfalls ein sehr besonders hervorzuhebender Titel ist „Die Welle“, der Gesang von Gisela Berndt wird schwebend, ohne Schlagzeug und Rhythmus, von tröpfelnden Pianoklängen und dem akzentuierenden Bass umschmeichelt. Und mit der melancholischen „Einbahnstraße“ werden wir schon verabschiedet aus einer Platte mit Musik, die man unbedingt mehrmals hören sollte, weil sie dann wächst mit ihrer Ausdruckskraft. Für mich ist dieses Musik, die eine Lücke füllt, eine Lücke, die dabei noch so sensibel und einfühlsam ausgefüllt wird, mit einem stimmigen Gesamtkonzept aus Texten und Musik.

Ja, das sind zehn schöne Bilder, die sich nach und nach zu ausdrucksstarken Gemälden entwickeln!

Wolfgang Giese